Unter weissen Malgründen sind nicht etwa die im heutigen Malutensilienhandel befindlichen schmutzigweissen Oelfarbengrundirungen zu verstehen, denn dieselben besitzen weder die nöthige Helligkeit, um als kräftie Reflektoren zu wirken, noch ist ihre in's Gelbrgraue oder Bräunliche stechende Farbe neutral genug, um die darübergelegten Lasurpigmente in ihrer Farbenart ungestört zu lassen. Noch weit weniger aber können die heute so beliebten einsaugenden Gyps- oder Kreidegründe die optischen Dienste weisser Malgründe leisten, da ihre dem Oel, wie dem Licht leicht durchdringliche Substanz, auch wenn sie im trockenen Zustande vollkommenes Weiss zeigen würde, sobald sie mit Oelfarben in Berührung kommt, ihre Helligkeit mit einem hässlichen, schmutzigen Graugelb oder Braun vertauscht, dessen grösserer oder geringerer Dunkelheitsgrad von der grösseren oder geringeren Menge des eingeschluckten Oeles abhängig ist1. Solche einsaugende Gründe bewirken natürlich, dass all daraufgetragenen Oelfarben in Folge des Verlustes, den sie an ihrem durchsichtigen Bindemittel erleiden, heller werden; doch kommt diese Helligkeit, mit der sich zugleich Glanzlosigkeit und Stumpfheit verbinden, nur denjenigen Farben zu gut, die eben von Natur hell, stumpf und matt sind und auch so bleiben sollen. Die intensivfarbigen, dunklen und transparanten Pigmente hingegen verlieren sämmtlich ihre Kraft und es büsst somit das Colorit gerade diejenigen Eigenschaften und Hilfsmittel ein, die den Hauptvorzug der Oelmalerei ausmachen. Will man sich auf das Einfachste von der Irrigkeit der Ansich überzeugen, dass die älteren flämischen, deutschen und italienischen Oelmalereien ihre heute noch so wohlerhaltene Farbenbrillanz oder gar - Transparenz Gyps- oder Kreidegrundierungen verdankten, die das trübende Oel aus den Farben hinweggesogen hätten, so vergleiche man diese Tafeln nur mit den Erzeugnissen einer modernernen Oelfarbentechnik, zu deren Grundprincipien, wie wir mit Sicherheit wissen, die Oelentziehung mittelst eigens dazu präparirter Kreidegründe wirklich gehört. Eine grössere Verschiedenheit des coloristischen Erfolges lässt sich kaum denken. Hell zwar, aber nicht weniger als leuchtend, sondern vielmehr blass, dumpf und undurchsichtig, ode, trocken, kraft- und leblos steht die Farbenerscheinung solcher moderner Bilder neben dem kerngesunden, innerlich licht- und farbenglühenden Colorit der älteren. Wer den optischen Unterschied dieser beiden Erscheinungen nicht fühlt, muss mit Blindheit geschlagen sein. Gerade das Gegentheil jener ansicht wird durch das innerliche, farbenintensive Leuchten der alten Tafeln bewiesen, denn dieses ist aus physikalischen Gründen überhaupt nur möglich und erreichbar, wenn die Farben ihr Gehalt an transparantem Bindemittel erhalten bleibt. Durch undurchsichtige Farben kann kein weisser Grund mehr hindurchleuchten2. Und da es nicht wohl statthaft ist, anzunehmen, dass diese so einfache Wahrnehmung jener unterreichten alten Meistern des Colorites entgangen sein sollte, so wird man dieselben auch wohl des schnurrigen Einfalles nicht für fahig halten dürfen, sie hätten ihren Farben das Kraft und Durchsichtigkeit verleihende Bindemittel bloss darum mühsam zugerieben, um es beim Malen durch den Malgrund sofort wieder daraus entfernen zu lassen.,,1. Vgl. § 6. - § 15,3 - § 16 des Ersten Theiles.,2. Lionardo da Vinci, Das Buch von der Malerei. Quellenschriftenausgabe, Nr. 191 (172). "In Bildern lebhafte und schöne Farben zu behandeln. - Den Farben, denen du Schönheit, verleihen wilst, wirst du stets einen äusserst hellen Untergrund bereiten. Dies sage ich für die durchscheinender Farben, denn denen, die das nicht sind, hilft solch ein heller Untergrund zu Nichts."