1. Technik der Oelmalerei wahrend der Renaissance in Italien.
Gesehichtliche Entwicklung.
Der Gebrauch des Oeles zur Bindung von Farbenpigmenten reicht vielleicht weiter zurück, als man bisber allgemein angonommen hat. Sicher ist, dass mit dem Bekanntwerden der trocknenden Eigenschaften gewisser Oelsorten auch schon deren Verwendung zu Malzwecken nachgewiesen werden kann. Die alteste derartige Nachricht findet sich bei einem Schriftsteller vom Anfang des VI. Jh., dem Arzte Aetius. Er spricht von dem Bekanntwerden des Leinöles, das an Stelle des Ricinusöles in Gebrauch gekommen, dann noch vom Nussöl, dessen Bereitungsart aus gepressten Walnüssen er beschreibt. Dabei fügt er die Be- merkung ein: „Es hat ausserdem die Besonderheit, dass es den Vergoklern und Enkausten dienlich ist; deun es trocknet namlich und macht die Vergoldungen und eingebrannten Malereien auf lange Zeit hinaus fest und erhalt sie.“J) Wenn die Annahme richtig ist, dass in der Enkaustik der spateren römischen Zeit zur leichteren Verarbeitung der heissen Wachsfarben ein Zusatz von Oei stattgefunden hat (diese Annahme gründet sich auf den Fund von St. Médard des Prés und die chemischen Untersuchungen der dabei gefundenen Farbenreste durch Ohevreul)2), so ist nicht einzusehen, warurn die Maler der Zeit nicht auch die nötigen Konse- quenzen für ihre technischen Zwecke gezogen haben sollten, umsomehr als die Lös- barkeit aller Harze in Oelen eine den Alten belcannte Thatsache war (Plinius XIV 123: Resina omnis dissolvitur oleo). Eine solche Mischung als Grundlage des Farben- bindemittels hat aber alle Eigenschaften der Verwend bar kei t in der Malerei. Es kann demnach nicht Wunder nehmen, wenn von Zeit zu Zeit die Hypothese auf- taucht, selbst die alten Griechen hatten sich eines dem Oele iihnlichen Bindemittels bedient3), obvvohl die Qellenschriften hievon nichts erwiihnen. Wenn nun auch in vorchristlicher Zeit das Bekanntsein einer unserer Oelmalerei ähnlichen Technik, durch das übereinstimmende Schweigen der Alten darüber ausgeschlossen ist, so tritt die Wahrscheinlichkeit um so näher an uns heran, dass in den ersten Jahrhunderten unserer Zeitrechnung sich ein Umschwung in dieser Richtung geltend gemacht haben wird.
1) Aetii Amideni Libr. Medic. p. Janum Cornarium, Lugduni 1549, I. i. voce E. (vom Nussöl, welolies ahnlich wie das Mandelöl bereitet wird, indem man die Nüsse stampft und auspresst, oder nacli dem Zerstampfen in warmes Wasser wirft): „Insuper hoe privatim liabet, quod inaurentibus et inurentibus conducit. Sieeat enim et ad multum tempus inaurationes et inustiones continet et adservat.8 Auch R i c i n u s ö 1 und Leinsamenöl werden von Aetius angefülirt, ohne aber deren Verwendung für Malerei besonders hervor- zuheben. Vergl. m. Beitr. III p. 272.
2) S. Recherches ehimiques sur plusieurs Objets d’Arehéologie, trouvés dans le Département de la Vendée. Abgedr. in Mémoires de 1’Academie des Sciences de l’Institut de France, T. XXII. Paris 1850. Vergl. auch m. Beitr. I. über Enkaustik.
3) So wird von F. G. Crerner (Studiën zur Geschichte der Oelfarbeutechnik, Düssel- dorf 1895 p. 11 u. ff.) diese Ansicht neuerdings aufgestellt. Schon Fernbach (Die Oelmalerei V. Abschnitt p. 282) sagt, nachdem er von dem Oelbaum gesprochen, welcher der Minerva geweiht war, von Statuen, welche Phidias mit Oei bestrichen, um ihnen eine „unsterbliche Dauer“ zu verleihen, und dass Berichten zufolge die Griechen zum Bemalen der Scbiffe Oei und Waehs verbunden hatten: „Naeh diesen Mitteilungen muss der Gedanke unwill- kürlich rege werden, ob es den Griechen nicht auch schon eingefallen, Farben mit Oei zu verbinden und das Oei zu Kunstwerken anzuwenden, oder ob die Griechen nicht Farben- pigmente mit Oei verbanden und damals schon eine solche Technik ausgeübt haben könnten, da ihr Vaterland und ihre Nachbarlander von der Natur aus mit diesem Erzeugnisse so vorzüglich und reichlich begunstigt sind.“ Dann p. 284: „Es erscheint sonderbar, dass man den Alten für Staffelei-Gemalde jede andere Technik eher einraumen will als die Oelmalerei, weil die Geschichte hievon nichts erwahnt."
Beweis dafür sind die zahlreichen Funde in den helleno- agyptischen Grabern, die von den Gelehrten übereinstimmend in das II.—IV. Jh. unserer Zeit gesetzt werden.4) Unter den grösstenteils in Enkaustik ausgeführen und vielfaeh (abgesehen von der Restaurierung) sehr gut erhaltenen Portrats finden sich aber auch viele, die bis zur Unkenntlichkeit verdorben, nachgedunkelt und zersprungen sind.5) Dass hier verschiedene Technik zur Anwendung gekommen sein musste, kann deshalb als sicher anzunehmen sein; denn wie sollte man sich eine so verschiedene Erhaltung erklaren können, wenn nicht durch verschiedene Art des Parbemnateriales ?
Schon i. J. 1827 machte v. Minutoli in seiner Abhandlung „Ueber die Pig- mente und die Malertechnik der Alten, insbesondere über die der alten Aegypter“ 6) auf die Technik bestimmter Malereien aufmerksam. Es lieisst dort: „Wahrend meiner Anwesenheit in Theben wurden einige Mumien aus den Zeiten der Ptolomaer gefunden, die mit Masken oder vielmehr Portrats bedeckt waren, die ganz den Charakter unserer Oelmalei, ahnliche Beliandlung und Parbenmischung, ahnlichen Glanz an sich t.ragen und folglich dafür zu bürgen schienen, dass sie der Oelmalerei angehörten. Einige Exernplare davon, die ich nach Europa behufs einer naheren Untersuchung translocierte, wurden ebenfalls (mit den übrigen Objekten) ein Raub der Flammen.“ Allerdings gehören viele und gerade die besten der durch Graf, Prof. v. Kaufmann, Brugsch, Plinders Petrie nach Europa gebrachten Mumien- portrats der Enk au stik an, andere wieder sind in einer Tempera ausgeführt, die vermutlich aus punischem Wachs besteht; aber andere minderwertige, durch Nach- dunkeln verdorbene Portrats deuten darauf hin, dass noch eine dritte Technik zur Anwendung kam. Diese ist nach meiner Meinung eine Uebergangstechnik aus der Enkaustik in die spatere Harz-Oelmalerei, von der eine der altesten Quellen, das Lucca M s. des genaueren beriohtet.
Dieses Ms. stammt etwa aus dem IX. Jh. und wird von dem Gelehrten Gregoriovius in das VIII. Jh. gesetzt. Hier sehen wir die Anwendung des mit verschiedenen Harzsorten verselzten Leinöles zu einer Art von Malerei verwende!, die den Zweck hat, transparente Farbcnwirkung über irgend einen Grund, sei es. Gold oder Farbe, zu erreichen (s. ra. Beitr. III. p. 15 ff. De confectio Lucidae; De Lucide ad lucidas). Mithin ist hier bereits die richtige Ausnützung der optischen Eigenschaften des Oelfarbenmateriales zu bemerken. Es folgen dann zeitlich die nordischen Quellen des Heraclius und Theophilus mit ihrer bereits entwickelten Oeltechnik, worüber in meinen citierten Beitragen (III. p. 38 u. 49) des genaueren gehandelt ist.
Im Süden erhiilt sich die Tradition, wenn auch von der Oelfarbe nur be- schrankter Gebrauch gemacht wird. Wenigstens scheint aus den Anweisungen des byzantinischen Mönches Dionysios (Handbuch der Malerei vom Berge Athos, § 53, Bereitung der Parben des Naturale) hervorzugehen, dass nur die Pleischpartien der Tafeibilder mit Oelfarben ausgeführt wurden (m. Beitr. III. p. 82). Von den Byzantinern gelangt dann die Oeltechnik auch nach dem Italien des XIII. und XIV. Jhs. Cennini beschreibt (Kap. 89) die Oelmalerei „auf der Mauer oder auf der Tafel, auf Eisen und Stein“ und bezieht sich dabei auf die grosse Verbreitung dieser Technik in deutschen Landen (loc. cit. p. 105). Nun wissen wir nach anderen Quellen, dass in England schon im XIII. Jh. die Malerei mit Oelfarben zur Ausschmückung der königlichen Gemacher und zur Auszierung der Kirchen verwendet wurde (loc. cit. p. 206 u. ff.), und wir finden im Strassburger Ms. die Beweise für die Ausbreitung der Oelmalerei im deutschen Norden des XV. Jhs. (s. m. Ausgabe 69—71, p. 169 loc. cit.). Die gleichzeitigen Rezepte des Bologneser Ms. sind hier noch einzureihen, welche vom Reinigen und Trocknendmachen des Oelbindemittels Nachricht geben (loc. cit. p. 119).
4) Ebers, Antike Portrats, die helleuistischen Bildnisse aus dem Fajjüm, Leipz. 1893[,] p. 48.
5) S. die Neuerwerbungen des Berliner agyptischen Museums.
6) Minutoli, Reise zum Jupiter Ammon und nach Oberagypten. Anhang. Abgedr. in Erdraanns Journal für techn. Chemie VIII. p. 187.
Die italienischen Maler der Frührenaissance, deren Technik Cennini ausführ- lich bcschreibt, halten zwar noch an der reinen Tempera (mit Eigelb oder dem ganzen Ei, mit dem Saft junger Feigentriebe angerührt) fest, benützen aber die Oelfarbe zu Lasuren und beim Fertigmalen der Gewander u. dergl. Audi bei der Mauermalerei, die a fresco begonnen und a secco weitergefülirt wurde, vemvandte man zur Er.zielung bestimmter Effekte die transparente Wirkung der Oelfarbe, wie dies aus Kap. 144 des Oennini (m. Beitr. III p. 106) ersichtlich ist. Man kann demnach gewiss mit Recht behaupten, das Oei als Bindemittel für Parben war der Frührenaissance vollkommen vertraut; dor mit Sandaracaharz bereitete Oelfirnis (vernice liquida) diente sogar mit seiner goldig gelben Farbe als transparentes Medium, um alle Farben zum Schlusse miteinander in Harmonie zu bringen (Kap. 155 des Oennini).
Was die Tafelmalerei des XVI. Jhs. in Italien betrifft und die Wandlungen von deren technischer Ausführung, so kann der grosse Umschwung nicht geleugnet werden, der sich vom Ende des XV. Jhs. bis ins XVI. Jh. hinein vollzogen haben musste. Der Einfluss der niederlündischen Meister, an deren Spitze Jan van Eyck, hatte zweifellos auf die Technik gewirkt, und wenn wir auch in den Quellen über das Wesen dieser teclmischen Neuerung uur Ungewisses überliefert finden, so zeugen die hervorragenden Meisterwerke der Zeit genügend deutlich für das faktische Vor- handensein einer neuen technischen Errungenschaft. Allgemein hat man die Brüder Hubert und Jan van Eyck zu „Erfindern der Oelmalerei“ gemacht, ohne eigentlich sich darüber klar zu sein, worin diese „Erfindung" bestanden haben könnte, da die Kenntnis und die Verwendung des Oeles als Bindemittel für Farben langst vor den van Eycks bekannt war. In meinen bezügl. Untersuchungen (Beitr. III p. 221 bis 256) bin ich zu der Ueberzeugung gelcommen, dass die van Eycks nicht die Erfinder der Oei malerei, sondern die Erfinder einer „neuen Art11 von Oelmalerei ge- wesen seien, und ich habe dort des Naheren ausgeführt, dass sie die sog. emulgierten Oele in die Oelmalerei eingeführt hatten. Als Beweise habe ich die Erzahlung Vasaris (irn Leben des Antonello da Messina) mit der daselbst gegebenen Oharak- teristik des neuen Bindemittels angeführt und zu erklaren versucht, dass unter der Bezeiclmung „questi olii, que è tempera loro“ die Oei temp era, d. h. die aus Oelen durch deren Emulgierung mit Tempera, d. i. Eigelb oder Gummi hergestellte Mischung zu verstehen ist. Als Bekraftigung dieser Erklarung ist noch das Zeugnis des Michel Angelo Biondo im 23. Kapitel seines „Traktates von der hochedlen Malerei" beizufügen, in welchem von den Malarten gesprochen wird. Hier heisst es ganz deutlich: „Wenn er (der Maler) auf dem Holze oder auf der Leinwand zu malen gedenkt, so arbeitet und malt er mit Oeltempera (lavora et penge con tempera d’oglio)". Vergleicht man das ganze Kapitel (s. p. 19), so muss man zu der Ueberzeugung gelangen, dass Biondo ausser der Fresko- und Secco-Malerei auf der Mauer (mit Wasser, resp. mit Leim, Ei oder Oei), noch eine besondere Malweise für Holz und Leinwand erwahnt, deren Bindemittel er mit dem Worte „tempera d’oglio1' bezeichnet.
Nicht unerwahnt kann hiebei der Umstand bleiben, dass Biondo’s Traktat i. J. 1549, also vor dem Erscheinen von Vasari’s grossem Werke, gedruckt ist, und Biondo demnach nicht als Absehreiber des Vasari angesehen werden kann. Was Biondo mit „tempera d’oglio" bezeichnet, umschreibt Vasari mit „questi olii, que è tempera loro."
Fügen wir noch hinzu, dass in der Rezeptensammlung des Marciana-Ms. vom Anfang des XVI. Jhs. eine B'orm der Oelmalerei, die ebenso die Emulsion des Oeles (also die Oeltempera) darstellt, mit einem besonderen Namen „a putrido" ge- nannt ist (Beitr. III p. 244), dass dieselbe Oeltempera auch für kunstgewerblichö Zwecke (in der Glasmalerei und für Vergoldung) verwendet wurde, und dass Vasari uns von Baldovinetti’s Versuohen mit den gleichen Mischungen in direkter Bezug- nalime zur Van Eyckschen Neuerung berichtet (ibid. p. 232), so sind wohl der Beweise genug gegeben.
Es handelt sich nunmehr darum, die Spuren dieses neuen Bindemittels weiter zu verfolgen und eventuell neue Momente in den Kreis der Betrachtung zu ziehen. Zu diesen Momenten gehort das Auftauchen der neuen Bezeichung Gauache,
„à guazzo", in der Reihe der Malweisen. Die früheren Amforen, Oennini, Pilarete, die hier in Betracht kommen, kennen nur Fresko, Oei und Tempera, die letztere hauptsachlich aus Ei, eventuell aus Leim bestehend.
Bei Paolo Pino tritt auf einmal die Bezeichnung ,,guazzo“ auf (s. p. 17 d. B.) u. z. wird auf der trockenen Mauer sowohl mit Guachefarben (a guazzo) als aueh mit Oelfarben gemalt.
Mit auffallender Bezugnahme auf die ,,oltramontani“, d. i. die jenseits des Gebirges wohnenden Niederlander und Deutschen sprichtPino hier von der Gouache- technik (colorire a guazzo), die er im Vergleich zur reinen Oelmalerei für unvoll- kommen halt. „Lassen wir sie (d. i. die Gouachetechnik) den Oltramontani, die den rechten Weg verloren haben", fügt er hinzu, und polemisiert auch an anderer Stelle (p. 29 verso) seines Buches gegen die Landschaften der „Fiandresi" und „Fiamenghi."
Paolo Pino’s Dialog ist ebenfalls friiher geschrieben als Vasari’s bekanntes Werk, mithin von diesem unbeeinüusst. Sein abfalliges Urteil über die „nicder- landische Technik" muss aber thatsachlich befremdeti, wenn man bedenkt, mit wie grossem Erfolg die ersten niederlandischen Bilder in Italien aufgenommen wurden. Es lassen sich jedoch Strömungen in Italien erkennen, die gegen die „neue Art" geriehtet scheinen; wir kommen darauf noch zurück. Vorerst müssen wir uns darüber klar zu werden suchen, was zu Pino’s Zeit, also um die Mitte des XVI. Jhs. unter Guazzo gemeint. sein konnte.
Nehmen wir zunachst das Wort selbst und gehen seiner etymologischen Be- deutung nach, so finden wir im Lexikon: Guazza = der nasse Nebel, Thau; guazzare = flüssiges in einem Gefasse hin und her bewegen, schwemmen, schütteln, schwenken; guazzetto = Brühe; Guazzo == Pfiitze und Wasserfarbe; guazzatojo = Schwemme, Tranke; guazzobuglio = Gemengsel, Mischmasch; guazzoso = nass, feucht, schmutzig. Auf unsere ,,a guazzo" Malerei angewendet, würde also ein Bindemittel zu verstellen sein, das durch Sohwemmen, Schütteln, Vermischen eine trübe oder weissliche Plüssigkeit (durch den Ausdruck Thau, Nebel bedingt) geworden ist. Vergleichen wir überdies, was Armenini über Seocomalerei berichte!, (s. p. 54), insbesondere die Stelle von den „verschiedenen Praktikern, die sich mit allerlei Mischungen ihre Farben bereiten, um ihren Bildern eine ausser- ordentliche Lebhaftigkeit (una vivezza sopro modo) zu verleihen" und zu diesem Zwecke „aqua ver de, aquavergini, sugo di gigli“ nehmen, so kommen wir der Wahrheit immer näher. Denn unter den genannten „Wassern" befindet sich „aqua di vergini", d. i. Jungfernmiloh, und wie wir an anderer Stelle (Beitr. III p. 246) bereits nachzuweisen in der Lage waren, verstand man zu jener Zeit darunter eine aus zwei Materiën bereitete trübe, milchige Plüssigkeit, was heute mit dem Namen „Emulsion" bezeichnet wird.
Der Schluss ist gewiss berechtigt, auch „guazzo" zu diesen milchig-trüben Flüssigkeiten zu rechnen, denn aus dem etymologischen Sinne geht das gleiche hervor.
Die Bezeichnung „guazzo" erhalt sich bei den Schriftstellern des XVI. Jhs. neb en der Tempera-Malerei mit Ei und Leimen, geht aber bald als besondere Technik verloren, indem sie in dem allgemeinen Begriff „Secco-Malerèi" aufgeht. Die Trennung ist kaum bemerkbar bei Vasari (Kap. 25 der Introd.; s. p. 30), indem er Leim, „guazzo" und Tempera nebeneinander stellt, ebensowenig bei Lomazzo, (s. p. 48), der für Tempera auch die Bezeichnung „a secco“ gibt, und k guazzo gleichzeitig erwahnt.7)
Dass man heute vielfach „Guazzo" (franz. Gouache) mit „Leimfarbe" übersetzt, scheint die Polge der etwas unklaren Passung Vasari’s in der genannten Kapitel- überschrift zu sein, die besagt: „Die Darstellungen für Triumphbogen und Pest- Dekorationen -werden mit Leim gemaoht; dieses nennt man a guazzo und a tempera." Man trifft aber ausserdem für ,,a guazzo" die Uebersetzung „mit Deckfarben", und diese Bezeichnung drückt das Technische derselben noch unvollkommener aus.
7) lm XVIII. Jh. wird unter Gouache eine mit Gummi angeriebene Farbe bezeichnet. 'So in Johaun Daw’s wohlunterrichtetem Schilderer und Mahler (1755), nach Tesselin An- gaben s. p. 435.
Unter Deckfarben versteht man Farben von gewisser Körperhaftigkeit, im Gegen- satz zu Lasurfarben, die keinen oder geringen Körper haben, also durchsichtiger Natur sind.
Sind nun die Bezeichnungen „Leimfarbe, Deckfarbe, Wasserfarbe“ sohon unsicher genug, so wird die Verwirrung noch grösser durch die Gleichartigkeit der Erschéinung aller mit Wasser mischbaren Bindemitteln gemalten Bilder, sei es nun mit Leirn, Eitempera oder irgend einem als „Oeltempera" (Emulsion) zu erklarenden Medium. Gefirnisst unterscheiden sich solche Bilder auch für den geübten Kenner sehr schwer von Oelbildern und diese Unter- schiede sind heute ebensowenig (oder noch weniger!) bekannt wie früher.
Sehr instruktiv sind in dieser Beziehung die folgenden Auszeichnungen in Marcanton Michiel’s Notizia d’Opere del Disegno, vom Anfange des XVI. Jhs. Dieser unter dem Namen Anonymus des Morelli bekannte Autor (vergl. die Ausg. v. Frimmel, Quellenschrift. f. Kunstgesch. Neue Folge, I. Bd. Wien 1888) versaumt es zumeist nicht anzugeben, in welcher Technik die von ihrn beschriebenen Gemalde ausgeführt sind.
So ist die Malerei ,,a guazzo“ sehr oft erwahnt; z. B. Mpt. 6 r. (In San Francesco zu Padua): „Das erste Altarblatt zur Linken, von der Hand des Retilao, gemacht im J. 1447, etwa in der Weise der Muranesen in Deckfarben (a guazzo).‘‘
Ebenda: „Das dritte Altarblatt zur Rechten war von der Hand des Schiavone in Deckfarben (a guazzo) gemalt.“
Mpt. 11 v. (Bei den Erimitani zu Padua): „Das Altarblatt gemalt in Wasser- farben (a guazzo), in der obgenannten Kapelle des Cortilliero war von der Hand des Malers Marino, im Jahre 1370, wie aus der Unterschrift erhellt.“
Mpt. 12 v.: „Die grossen Landschaften in Deckfarben auf Leinwand (paesi in tele grandi a guazzo) und die anderen auf Papier mit der Feder (in fogli a penna) sind von der Hand des Domenico Campagnola."
Interessant ist, in welcher Weise über die altniederlandische Manier gesprochen wird, u. z. wird sie mit „maniera ponentina" bezeichnet. So finden wir vermerkt: Mpt. 22 r. (In Cremona): „Das Altarbild mit der Krippe auf dem Hochaltar, in der Art der westlichen Malerschulen (alla maniera ponentina), mit dem Christuskind, das die herumstehenden Figuren beleuchtet, war von der Hand des .... Codignola.“
Mpt. 22 v.: „Die Lucretia, die sich verwundet, auf Leinwand, in Leim- farben gemalt, in der Art der westlichen Schulen (in tela, a colla, in maniera ponentina), in ganzer Figur war von der Hand des Altobello de Melon aus Oremona.“
Mpt. 31 v. wird Jan van Eyck, resp. Mending ein Maler des Westens (Ponentino) genannt.
Mpt. 66 v. (Im Hause des Antonio Pasqualino, 1529): „Von dem Bildchen mit dem hl. Hieronymus in Kardinalstracht, der in der Schreibstube liest, meinen Einige, es sei von der Hand des Antonello da Messina. Andere glauben, dass die Figur von Jacometto aus Venedig übermalt sei. Die Meisten aber schreiben es, und das mit der grössten Wahrscheinlichkeit, dein Jan oder dem Meinling zu, einem alten Maler der westlichen Schule (pittor antico Ponentino). Und jene Malweise (maniera) zeigt es sosehr, obwohl es in italienischer Manier übergangen und vollendet ist, dass es von Jacometto’s Hand zu sein scheint. Die Gebaude sind in niederlandischer Art (alla Ponentina), die kleine Landschaft ist naturgetreu (naturale), sorgsam und vollendet ausgeführt; und man blickt durch ein Fenster und durch die Thür des Gemaches (hinaus in die Landschaft). Eigens (besonders gut) nach der Natur gemalt sind darauf ein Pfau, ein Rebhun und éin Barbier- becken. An dem Schemel ist ein kleiner angehefteter, offener Brief tauschend gemalt, der den Namen des Meisters zu enthalten scheint. Nichtsdestoweniger, wenn man genau zusieht, enthalt er keinen einzigen Buchstaben und ist nur ganz tauschend nachgemacht. Auch tritt alles zurück. Das Ganze ist vollkommen durch die Feinheit, durch das Kolorit, durch die Zeichnung, die Kraft und Modellierung."
Technisch sind die Tafelbilder der Ponentini als Oelbilder bezeichnet. So gleich folgend Mpt. 67 r.: „Das Portrat der Madonna Isabella von Aragonien. der Gemalin des Herzogs Philipp von Burgund, unter Lebensgrösse in heller Figur in Oei gemalt, von der Hand des Zuan Memelin, und ist 1450 gemalt. (el retratto a oglio . . .)“
ibid.: „Das Selbstbildnis des genannten Znan Memellino in Oelfarben, aus dem Spiegel gemalt (el retratto a oglio .... fatto dal specchio).“
ibid.: ,,Dio zwei Bildnisse der Ehegatten gleichfalls in Oei und nieder- landisoher Weise (rittrati pur a oglio, alla Ponentina) waren von der Hand desselben.“
ibid.: „Die kleinen Bilder, gleichfalls in Oei (liquadretti pur a oglio), auf denen Saulchen und andere Ornamente in glücklichster Weise aus Schmuck und kostbaren Steinen hergestellt sind, waren von der Hand des Hieronimo Todeschino.“ Mpt. 62 r.: „Das Portrat des Rogier von Brüssel, eines berühmten alten Malers, ein kleines Tafelgemalde in Oei (uti quadretto de tavola a oglio), Brustbild, war von der Hand desselben Rogier nach dem Spiegel gemalt im J. 1462.“ Im Abschnitt „Venedig“ sind die technischen Notizen von besonderem Interesse ; es heisst dort unter anderem:
Mpt. 49 r.: „Das grosse Gemalde init dem Abendmal Ohristi war von der Hand des Stephano, Schillers von Tizian, und zum Teil von Tizian selbst voll- endet in Oei (in parte finita da esso Titiano a oglio).“
Mpt. 49 v. werden zwei Bilder des Gentile da Fabriano erwahnt, welohe „einen Glanz haben, als ob os Oelgemalde wiiren“ (hanno un lustro come si fussino a oglio).
Mpt. 50 r.: Zwei „Portrats des Antonello da Messina, beide im Jahre 1475 gemalt, wie aus der Inschrift unten klar wird, sind in Oei gemalt (a oglio), sehr vollendet, in halbem Profil und haben viel Kraft und Leben, besonders in den Augen.“ Gianbellino wird mehrfach erwahnt und seine Malweise ,,Guazzo“ genannt, so z. B.:
Mpt. 50 r.: „Die Halbfigur der Madonna, welche das Christuskind im Arm halt, weit unter Lebensgrösse in Leimfarbe (a guazzo), war von der Hand des Juan Bellino, aber übermalt von Vincenzo Cadena . . .
dann Mpt. 65 v.: „Die drei kleinen Bildnisse in Leimfarbe (a guazzo) . . . . waren von der Hand des Juan Bellino“;
ebenso: Mpt. 71 r.: „Das Gemalde mit dem hl. Johannes Evangelista in Declt- farben (a guazzo) gemalt, .... von der Hand des Zuan Bellino . . . . 8).“
Leinwandbilder werden mit Leimfarbe, mit Gouache oder auch mit Oel- farbe bemalt vermerkt; so z. B.:
Mpt. 53 r.: „Die grosse Lein wand in Leimfarbe (tela grande a colla) gemalt mit der Schlachtordnung der Reiterei war von der Hand des Hieronomo Romanin aus Brescia";
ebenda: „Das grosse Leinwandbild in O elf ar be (tela grande a oglio), darstellend die Unterwelt mit Aeneas und Anchises, war von der Hand des Zorzo da Castelfranco."
8) Diese Stellen lauten nach Frizzoni’s Ausgabe, Bologna 1884 wie folgt:
„Zu Padua im Hause des Philosophen Leonico:
Das Portrat des Jd. Leonico selbst, als Jüngling jetzt ganz verfallen, gelb und nach- gedunkelt (ora tutto cascato, ingiallato e offuscato) war von der Hand des Zuan Bellino. — Das Portrat seines Vaters a Guache (a guazzo) in Profil dargestellt, war von der Hand des Jacomo Bellino."
„Zu Venedig im Hause des M. Antonio Pasqualino (dtto. 1532, 15. Januar), eine Halbfigur der Madonna unter Lebensgross a guazzo von der Hand des Zuan Bellino, übermalt (riconzato) von Vincenzo Cadena, der an Stelle einer aufgehengten Draperie im Hinter- grunde (zambellotto steso da dietro) einen azurblauen Himmel malte. Es ist schon lange Jahre her, da er das machte, aber man erkennt es noch an den kraftigen Reflexen, die mit den Mitteltinten schlecht verbunden sind; immerhin ist es ein lobenswertes Werk in bezug auf Wohllaut der Luft, der Gewander und anderer Teile.“
In „La Karita" zu Venedig:
„La tavola de San Zuanne Evangelista in la cappelletta a man manea dell’ altar grande a guazzo con le istoriette nel scabello fu de man de Zuan Bellino, opera lodevolissima. Credo lo scabello fusse de man de Lauro Padovano."
In „Seola della Carita" Venedig:
„El quadretto della testa di Cristo in maesta a guazzo fu de man de Andrea Bellino, come appar par la sottoscrizione."
Mpt. 58 r.: „Das Guachegeraaide auf Leinwand (tela a guazzo) war von demselben Giovanni Hieronimo.
Mpt. 60 r.: „Das Leimfarbenbild auf Leinwand mit dem Abendmahl ist ein Werk der westlichen Schule (tela, a colla . . . e opera Ponentina).“
Weiter sind erwahnt: Mpt. 65 v. (Im Hause des Gabriel Vendramin, 1530) „Die acht kleinen Tafelgemalde in Oei (octo quadretti in tavola a olio) von der Hand niederlandischer Meister (maestri Ponentini)."
Ebenda werden noch genannt: „Ein kleines Tafelbild in Oei eines niederlandischen Meisters, eine vortreffliohe Arbeit, besonders was die Köpfe anbelangt, und das kleine Tafelbild, Maria mit der Krone und dem Kinde allein in einer niederlandischen Kirche stehend, von der Hand des Rogier aus Brussel, das als „ein überaus vollendetes Werk der O el malerei" (opera a oglio perfettissima) beschrieben wird.
In der Scuola della Oharita, der attesten Brudersohaft in Venedig, beschreibt der Anonymus (Mpt. 72 v.) ein Tafelgemalde in Deckfarben (a guazzo) von Antonio da Murano. Ebenda waren „die Apostel, gleiclifalls Tafelgemalde in Deckfarben (tavola in guazzo), und überlebensgross von Jacomello dal fior, im Jahre 1418 vollendet.“ Ein weiteres Gouachebild mit der Madonna (a guazzo in tavola) befand sich neben dem Eingang, gemalt im Jahre 1352; die übrigen Bilder an beiden Seiten des Saales waren gleichfalls ganz in Gouache (pur a guazzo) aus- geführt. Hier (Mpt. 73 r.) wird auch ein kleines Bild mit der Passionsgeschiehte des Herrn und mit allen Wundern in mehreren Kapitein mit kleinen Figuren in byzanlinischer Weise (alla Grecca), als Arbeit aus Konstantinopel (opera Oostan- , tinopolitena) erwahnt, und schliesslich noch „das kleine Bild mit dem nimbrierten Ohristuskopf in Deckfarbe von der Hand des Andrea Bellino (Christo in maiesta, a guazzo)" verzeichnet.
Mit Absicht haben wir die obige Liste ohne Kommentar gegeben und auch die Friminel’sche Uebersetzung unverandert gelassen. Man wird aber bemerkt haben, dass selbst ein so gewiegter Kenner des Technischen in der Malerei bei der Uebersetzung von „a guazzo" schwankend ist, und bald Leimfarbe, Wasser- farbe, Deckfarbe oder Gouache dafür setzt. Zweifellos sind auch die Angaben in der genannten Quelle des Anonymus des Morelli ungenau, oder nur aproximativ zu nehmen, und deshalb heute schwer zu kontrolieren. In einigen Punkten müssen wir aber die Sache naher betrachten :
1. In Betreff der Technik Bellini’s. Bei Erwahnung von Bildern des Gian Bellini (1428—1516) ist (nur mit einer Ausnalime) konstant die Gouachetechnik (a guazzo) genannt, und (soviel mir erinnerlich) maohen alle Bilder Bellini’s und seiner Zeit den Eindruck von vollkommenen Oelgemalden 1 Bellini’s Blüte fallt bereits in die Zeit der Einführung der van Eyck’schen „Oeltechnik" in Venedig. Vasari erzahlt (im Leben des Genannten), dass „Jacopo Bellini, der Vater des Giovanni, gleichzeitig mit demselben Domenico, welcher das „Oelmalen" (il colorire a olio) dem Andrea dal Castagno lehrte, Schiller des Gentile da Fabriano war. Aber erst als Domenico Venedig verliess, kam Jacopo zu Ansehen und Ruhm. Seine beiden Söhne Giovanni und Gentile unterrichtete er selbst und führte sie mit allem Fleiss in die Prinzipien der Malkunst ein. Bald waren sie so weit vorgeschritten, dass sie ihren Vater überflügelt haften." Sollen wir nun annehmen, dass den beiden jüngeren Bellinis die Vorzüge des „neuen Kolorits® unbekannt geblieben seien, und nicht vielmehr, dass sie sich der neuen Malweise hingegeben hatten?
2. Wahrend die Tafelbilder der niederlandischen Meister, der „Ponentini", Memling (Zuan Memelin), Roger van der Weyden (Roger von Brüssel) und des Antonello da Messina als Oei bilder bezeichnet erscheinen, sind die Leinwand- gemalde der „Ponentini" als mit Leimfarben (a colla) gemalt, besohrieben. Daneben erscheinen wieder Leinwandbilder bald mit Gouachefarben (a guazzo), bald mit Oelfarben (a oglio) von der Hand ponentinischer Maler ausgeführt. Wie sollen wir uns diese Unterschiede erklaren, da die „Ponentini" als Meister in ihrer Oel- technik gewiss dieselbe Methode auf Tafeln wie auf Leinwand anwendeten, und ihre Bilder gerade wegen ihrer Malweise in besonderer Wertschatzung gehalten wurden? Diesen Zwiespalt können wir nur dadurch ausgleichen, wenn wir annehmen, dass die Aehnlichkeit der technisohen Ausführung gross war und ein ungeübter Beobachter leicht zu Tauschungen veranlasst werden konnte.
Es dürfte auoh wirklioh sohwer sein, gefirniste Tempera-Bilder von gefirnisten Gouachebildern oder selbst von Oelbildern, die auf Tafel oder auf Leinwand gemalt sind, mit Sicherheit zu unterscheiden, insbes. da auch damals zura Schluss die Oel- farbe als Lasur und Vollendung im Gebrauch gewesen sein mag. Beweis dafür ist die Bemerkung des Armenini (s. unten p. 53), dass noch zu seiner Zeit „die hervorragenden Künstler sich der Seccomalerei bedienten, um ihre Arbeiten auf Leinwand oder Tafeln schneller beenden zu können." Und auch dafür biet et uns Armenini den Beweis, dass die Seccomalereien gefiimist wurden; denn er beschreibt einen Firnis, „der auch auf Leinwand für Seccomalerei gut ist“ (s. p. 58).
Um hier nicht bereits Gesagtes wiederholen zu müssen, möchte ich auf den Abschnitt xiber die Van Eyck-Technik (Beitr. III p. 247 ff.) hinweisen und insbesondere auf die Schwierigkeit der technisohen Ausführung bei dieser Malweise aufrnerksam machen, wie sie dort genauer auseinander gesetzt wurde. Auch wurden (loc. cit. p. 253) die einzelnen Stufen beschrieben, wie sich aus der Van Eyck-Technik (mit emulgierten Oelen) nach und nach die reine Oeltechnik herausgebildet haben konnte.
Wie dem auch immer sein mag, welche Gründe mehr oder weniger zum Auf- geben einer Manier, nach welcher „die Maler der ganzen Welt gesuoht", führten, das lasst sich nicht so ohne weiteres und mit Bestimmtheit feststellen. Zweifellos macht sich aber in der Quellenlitteratur eine Bewegung bemerklich, die direkt gegen die Malart der „01tramontani“ gerichtet, ist. Zwei Generationen hatte die „Disciplina di Fiandra" in Italien geherrscht, mm sollte auch diese durch neuere ersetzt werden; der Stolz der italienischen Künstler baumte sich gegen das Fremde auf und fand seinen Wiederhall in den Kunstschreibern der Zeit. Pa oio Pin o war der erste, der die Ansicht offen ausspricht, dass die niederlandische Manier mit ihrer Mischtechnik nicht mehr zeitgemass sei und nur die reine Oeltechnik imstande sei, „die Uebereinstimmung mit der als Vorbild dienenden Natur voll- kominen herzustellen." Die gegen die „Oltramontani“ gerichtete Spitze ist hier unverkennbar, denn er fügt hinzu: Lassen wir die Miselierei (guazzo) den „Oltra- montani", die den richtigen Weg verloren haben! (s. p. 18).“ Wie Pino dann weiter Vergleiche zieht zwischen den Landschaften der „Fiandresi“ sowie der „Fiamenghi“ und den italienischen, die zu Ungunsten der ersteren ausfallen, das sprioht alles für eine bestimmte Absicht. Ja, bei der Aufzahlung berühmter Meister wird nicht ein einziger Niederlander genannt, nur den Deutschen Dürer [9]) lässt er noch von den „Oltramontani" geiten! (vergl. loc. cit.) Von demselben Platze Venedig, wo die „neue Methode" in Italien zuerst Eingang fand, wird jetzfc gegen dieselbe agitiert und wie sich in der Folge zeigt, mit Erfolg. Man fand es gar nicht mehr bequem, durch vielfache „Unter-, Ueber- und Ausmalungen" (wie Dürer sich aus- drückt.), zum Ziele zu gelangen, oder durch sorgfaltige Vorzeichnung mit der Feder ein jegliches Detail schon vorher festzustellen, man wollte frei aus dem Ganzen heraus schaffen, mit grossem Wurf „das eigentliche Farbengedicht, das Spiel der kampfenden und scherzenden Lichter und Schatten" entstehen lassen. Dazu eignete sich allerdings die umstandliche bis ins Kleinste eingehende Methode der Van Eyck’schen Technik nicht mehr. Armenini sagt in dieser Beziehung ganz deutlich: „Obwohl man in dieser Art (a Secco) viele Arbeiten mit vieler Mühe und unge- meinem Fleisse ausgeführt sieht, haben die hervorragenden Modernen es vor- gezogen, ganz und gar auf diese Manier der „Oltramontani“ zu verzichten und sich auf den Pfad der vollkommenen Oelmalerei begeben (s. p. 55).
9) Hier scheint es wichtig auf ein Selbstportrat des Dürer, das dieser Raffael zum Geschenk gemaoht, dann au Giulio Romano vererbt, jetzt aber verschollen ist, aufrnerksam zu machen. Vasari berichtet darüber, dass es in Gouachefarben mit Ausparung der Lichter in Aquarellmanier ausgeführt war und wegen seiner Vollendung bewundert wurde: „II qual ritratto era cosa rara, perché essendo colorito a guazzo con molto diligenza e fatto d’acque- relli, 1’aveva linito Alberto senza adoperare biacca ed in qual cambio sie era servito del bianco della tela, delle Ma della quale, sottilissime, aveva tanto ben fatti i peli della barba, olie era cosa da non potersi imaginare, non che fare, ed al lume traspareva che ogni lato“ (vergl. Ed. Milanesi IV. 354 Note 2 und V. 551).
Dabei kommt noch in Betracht die grosse Bedeutung rein künstlerischer Bestrebungen durch die neuen Ziele des „Rinascimento", das mit seinen hohen Idealen, in Komposition und Zeichnung dein antiken Geiste sich anschmiegend, alles vorher Gewesene über den Haufen warf. Die neue Zeit, der neue Geist erf and sich neue Ponnen des künstlerischen Ausdrucks und suchte sich die Mittel dazu selbst. Die früher geübte Manier der „Schönfarbigkeit", welche in dem Aneinanderreihen der Farben zum harmonischen Gesamtbild, mosaikartig, wie bei den alten Glasfenstern, sich zu erschöpfen suchte, und welche mit gleicher Lichtart und Lichtstarke Vordergrund und Hintergrund behandelte, wich jetzt einem neuen Prinzip, dem auf Naturanschauung basierten Hell- dunkel, d. h. der vollen Ausnützung von Licht- und Schatte n- tönen zur Hervorbringung der Formenersoheinung. Das sogen. Ohiaroscuro, wie der technische Ausdruck lautete, oder wie wir heute sagen würden, „die Modellierung von Licht und Schatten11 nach den Gesetzen der Optik und der Luftperspektive, ist das jetzt anzustrebende Ziel, und in die Kunst der Malerei tritt die Theorie als neues Glied ein. Was Leon Battista Alberti vor- bereitete und von Lionardo da Vinei weitergeführt wurde, namlich die riohtige Erkenntnis der Natur und ihre entsprechende Wiedergabe in Formen und Farben, das gelangt jetzt in der Kunst zur vollen Herrschaft!
Plastische Erscheinung des Gegenstandes resp. der Figuren, Wohllaut der Linienführung und Konzentrierung des Lichtes im Bilde sind die Grundforderungen für die neue malerische Auffassung, für die „Bildwirkung", wie wir sagen. Dass diese Forderungen zuerst theoretisch aufgestellt, bald aber systematisch in die Praxis umgesetzt wurden, beweist, wie sehr der Boden für dieses Neue vor- bereitet war. Und wo finden wir einen Grosseren, der Theorie und Praxis besser zu verbinden wusste, als Lionardo selbst ! Sein Studium erstreckte sich bis auf die feinsten Beobachtungen in der Natur, und sein ganzes Leben liat er damit verbracht, diese Naturerkenntnis auf die Dinge der Kunst zu übertragen. Unterschiede optischer Art drangten sich ihm auf, je nachdem er Wirkungen der dunkien Farbe auf heller studierte, Licht und Schatten anderte sich je nach der Beleuchtung, die reflektierten Schatten, entferntere Farbungen entgingen ihm nicht, und seine Erkenntnis der trüben Medien der Luft fiihrte ihn zu dem System der dunkien warm- getönten Uutermalungen. Hier ging er planmassig vor, nachdem ihm die Theorie gezeigt, dass auch die halbdeckenden Pigmente auf warmer und dunkler Unterlage eine „blauende" Wirkung erzeugten, dass Licht und Schatten nur durch ihre Gegen- satze wirken und die Farben sich gegenseitig zu steigern imstande sind. Licht und Schatten in der vollen Verwertung ihrer optischen Potenz, die Farbe selbst als Lichtproblem betrachtet, nicht als Farbstoff wie vorher, bildeten vereinigt die Grundlagen, die Natur zu sehen und sie auf der Bildflache wiederzugeben.
Aber auch äusserlich, in den aus der Welt der griechischen Götter- und Heldensagen gewahlten Motiven mit ihren lebensvollen Gestalten, in den grossen ,,Historiën", tritt uns ein neuer Kreis der Darstellungsthätigkeit entgegen; hier konnten sich die grossen Künstler in der Kraft der Darstellung, in der Grazie der Linie und Komposition, und in der Harmonie des Kolorits ergehen, wie nie zuvor. Die Darstellung der christlichen Legende emanzipierte sich aus den starren archaistischen Formen zu neuen Variationen voll Abwechselung und Bewegung. Bei so geanderten Zielen konnten auch die Mittel nicht zurückstehen; auch hier musste der „Zug ins Grosse" folgen. Von diesem Standpunkte aus sind alle technischen Neuerungen zu betrachten, denn alle gehen darauf aus, mit den sichersten und schnellsten Mitteln den gewünschten Effekt zu erreichen. Mit genau derselben Konsequenz, mit der die Vereinfachung in der Freskotechnik vor sich gegangen ist, sehen wir auch im Tafelgemalde alles aufgeboten, um mit grösserer Schnelligkeit zum Ziele zu gelangen, wobei gleich hinzugefügt werde, dass mit dieser grosseren Schnelligkeit oder der Vereinfachung des technischen Verfahrens nicht immer auch eine Verbesserung verbunden sein konnte. Wir sehen vielmehr in der Folge durch Aus- artung und Uebertreibung dieses Prinzipes den beginnenden Niedergang sich lang- sam aber sicher vorbereiten.