Johann Kunckels/
Churfuͤrſtl. Brand. wuͤrcklich-beſtalten geheimden Cammerdieners/
ARTIS VITRARIÆ EXPERIMENTALIS PARS SECUNDA,
Oder Zweyter Theil
Der vollſtaͤndigen Glasmacher-Kunſt/in dreyen ſonderlichen Buͤchern beſtehend/Deren das I. umbſtaͤndig/ 1. von Glasbrennen/ Verguldenund Schilde-mahlen/ 2. von feinen Glaſurwercken/ und 3. von allerhand nuͤtzlichenbißhero wenig bekannten/ denen Glas- und andern Mahlern ſehr dienlichen/ licht-und braunen Spicc-Therbentin und Lacc-Fuͤrniſſen/ auch wie ſolche zu vielenſchoͤnen Dingen nuͤtzlich zu gebrauchen/ handelt/ nebſt vielen andern Curieuſitaͤten/die ſaͤmtlich in 100. Experimenten beſtehen/Samt einer Zugabe/ wie man den ſehr ſchoͤnen Nuͤrnbergi-ſchen Gold-Strau-Glantz aus allen Metallen machen und bereiten ſoll.JmII. wird voͤlliger Nachricht von der Kunſtreichen und aller ſchoͤn-ſten weiſſen und bunten Hollaͤndiſchen Toͤpffer-Glaſur und Mahlerey (von einigenBarcellan-Arbeit genannt) ertheilet/ beſtehend in 60. Experimenten/ und gleichfalls einerZugabe von dem zierlichen und accuraten kleinen Glas-blaſen/ ſo beyder Lampen geſchicht/ und wie dergleichen modus anderwaͤrts nuͤtzlich zu gebrauchen.Das III. aber/ ſo in 50. ſonderbaren Experimenten beſtehet/ handelt vornehmlich/ wieman allerley Kraͤuter und Vegetabilien in Silber abgieſſen/ item den Gipß faͤrbenund tractiren/ Tuͤrckiſch-Papier/ ſchwartze Schreibtafeln ꝛc. ꝛc. und viel andere nuͤtzliche Dingebereiten und zu wege bringen ſoll.Wobeyzum Beſchluß deſſelben eine vortheilhaffte Flaſchen-Forme vor die Glas-macher/ die ſich uͤber 1000. mahl veraͤndern laͤſſet/ beſchrieben und in Kupffer vorgeſtellet wird.Endlich iſt ein ſonderbahrer Anhang (ſo aus den Engliſchen uͤberſetzet) mit beyge-fuͤget/ in wilchen von allen natuͤrlichen Edelgeſteinen/ ein faſt voͤlliger Unterricht begriffen/ auch gleich-falls einige ſonderbare Nachkuͤnſtlungen gezeiget werden/ allen Feuer-Glas- und Farben- Kuͤnſtlern/ auchJubilier und Gold-Schmieden/ item Mahlern/ Toͤpffern/ und vielen anderu Kuͤnſtlern und Me-chanicis zu ſonderbaren Nutzen aus gewiſſer Erfahrung auffs kuͤrtzeſt und ein-faͤltigſte beſchrieben und vorgeſtellet.
Mit Roͤm Kaͤyſ. Maj. und Churf. S. Durchl. allergnaͤdigſt und gn. ertheilten Privil.
Franckfurt und Leipzig/ auff Koſten des Autoris, Anno 1679.
Geliebter und Curieuſer Leſer.
JCh ſtelle dir hier fuͤr (nebſt dem erſten und Haupt-Theil) denzweyten Theil meiner vollſtaͤndigen Glasmacher-Kunſt/ unddieſer zweyte Theil haͤlt wieder in ſich drey Buͤcher:
Das erſte von denenſelben/ welchesI. Vom Glas-brennen/ Glas-verguͤlden und Glas-mahlen;II. Von allerhand feinen Toͤpffer Glaſur-Werck;III. Von mancherley kuͤnſtlichen/ noch ungemeinen und ſowohl zur Glas-als andern Mahlereyen und Handthierungen ſehr nuͤtz-lichen Lacc-Therbentin/ Spicc- und Leinfuͤrniſſen/ auch andern ſonder-baren curieuſen Dingen mehr handelt/ undzuſammen in hundert Experimenten/oder durch die Ubung und Erfahrung beſtaͤttigten Kunſt-Stuͤcklein/ undeiner Zugabe/ wie man den kuͤnſtlichen Nuͤrnbergiſchen Gold-Strau-Glantz machen ſoll/ beſtehet/ iſt mir aus einer vornehmen und der Kuͤnſtewegen ſehr beruͤhmten Stadt des Reichs/ von ſonderlichen Freundes-Handen zukommen: und weil ich in Durchleſung deſſelben befunden/daß es faſt lauter 1. vielen dienliche/ 2. zur vollſtaͤndigen Glas-Kunſt mei-ſtentheils nothwendig-gehoͤrige Sachen ſeyn/ 3. auch noch niemahls inDruck geſehen worden/ als habe ich mich bald reſolvirt/ ſolches meiner(damahls vorhabenden) Glas-Kunſt zu inſeriren. Dahero/ nach dem iches mit allen Fleiß/ von denen dabey befindlichen Fehlern corrigirt/ aucheinen kunſtreichen Glasmahler durchſehen laſſen/ welcher es vor garkoͤſtlich geachtet/ hab ich es/ geneigter Leſer/ dir hiemit durch den Druckmittheilen und gemein machen wollen.
Der Autor dieſes Tractaͤtleins iſt ſelbſt ein guter Glasmahler ge-weſen/ und wie es einige Nachricht gibt/ neulich erſt geſtorben/ ſeinenNahmen weiß ich nicht/ ohne daß er ſich H. I. S. ſchreibt/ daß er aber alleskurtz und einfaͤltig beſchreibt/ wirſt du dich hoffentlich nicht irren laſſen.Es ſeynd Experimenta und keine Speculationes, beduͤrffen alſo ſo vielzierliche Umbſtaͤnde nicht/ und endlich ſeynd ſolche nur von einen Kuͤnſt-ler/ nicht aber von einen Gelehrten beſch rieben worden.Da dir nun ja/ geliebter Leſer/ eins und das andere/ von den Glas-mahlen und Brennen zu dunckel und kurtz beſchrieben waͤre/ ſo hoffe ichdoch/ es werde dir ſolches mein dabeygefuͤgtes/ als dieſes zweyten TheilsZweytes Buch/ handlendeVon der Hollaͤndiſchen/ kunſtreichen (nach Bar-cellan-Art) weiſſen und bunten Toͤpffer-Blaſur.(beſtehend in LX. Experimenten)Samt noch einer Zugabe odereigentlichen BerichtVom kleinen Glas-Blaſen/ſo mit der Lampen geſchicht;
Wo nicht gnugſam/ doch ziemlich erleutern: geht dir aber dennochnicht alles nach Willen an/ muſt du gleichwohl/ wenn du raiſonabelhand eln wilſt/ dem Autor nicht flux die Schuld geben/ ſondern geden-cken/ daß (welches gar bald geſchicht) auch du es verſehen koͤnnen/ unddahero deſto vorſichtiger lernen handeln; ſo viel aber ich und andere mirwiſſend daran probirt und nachgekuͤnſtelt haben/ iſt es richtig genug be-funden worden.
Jndem auch ja einige geringe Stuͤckgen dieſen Glasmahler Buͤch-lein einverleibt waͤren/ hab ichs doch nicht endern wollen/ ſondern ge-dacht/ vielleicht ſind einige/ denen damit beſſer als mit hoher Sachen ge-dient iſt. Es ſind Experimenta; und gleich wie mancher ein lebendigZeißgen hoͤher als einen todten Adler ſchaͤtzet/ alſo auch iſt mir das ge-ringſte Experiment viel wehrter/ als die hoͤchſten Speculationes die kei-nen Grund haben.
Weil ich denn glaube/ daß ſich noch viele finden ſollen/ die dißfalls mei-ner Religion ſeyn/ als habe ich in den zuletztbefindlichenDritten Buchnoch L. dergleichenAllerhand Curieuſer Experimenten,Auch zum Beſchluß dieſes zweyten Theils/Eine vortheilhaffte Flaſchen-Forme/ vor die Glasmacher/
die ſich etlich 1000. mahl veraͤndern laͤſſet/anfuͤgen wollen/ ſindgleich ſolche zur Glas-Kunſt nicht eben alle dienlich/ſo ſeynd ſie doch auch dazu nicht undienlich: auffs wenigſte ſeynd ſie eini-gen/ die der Glaskunſt nicht entbehren koͤnnen (wie denn derſelben we-nig ſeyn werden) angenehm/ welche ich auch hiermit verſichere/ daß eslauter ſolche Sachen ſeyn/ die durch meine eigene Hand gegangen/ wel-che auch/ ob ſie gleich noch ſo gering ſcheinen/ (weil ſie die Praxin odervielmehr die natuͤrliche Warheit zum Grund haben) leichte zu etwasgroͤſſers leiten koͤnnen; ja ob auch welche waͤren/ die zum Theil vor unnuͤ-tze Dinge zu halten/ ſo weiß ich doch/ daß das geringſte davon/ als ein Ex-periment eine weit mehrere Warheit uñ Nutzen hat/ als alle Subtilitaͤtendie F. G. in ſeinen Neri, ſo wohl mit Worten als in Figuren vorgeſtellt/wie die Erfahrung endlich beweiſen wird.
Dem aber/ der es vor eine Nothwendigkeit haͤlt/ dieſe meine wohlge-meinte Aꝛbeit gering zu achtẽ/ oder zu verachtẽ der ſoll wiſſen/ daß ich ſolchetheils ſelber (auſſer daß ich ſage/ es ſind Experimenta) niemahls ſehr hoch/oder vielanders als gering geſchaͤtzt/ ja daß er hierinnẽ mir nicht ſo ſehr zuwider/ ſondern bey nahe einerley Sinnes iſt; Nur bitte ich ihn gleichwoldieſes (er ſey/ wer er ſey) er wolle ſich doch großguͤnſtig belieben laſſen/ demgemeinẽ Nutzen etwas beſſers vorzuſtellen/ oder biß daſſelbe geſchicht/ mitſeinen Urtheil inne halten; Bringt er aber was beſſers vor/ ſo will ichdas meinige gerne und willig/ ſolts auch offentlich geſchehen/ verachten
laſſen. Jmmittelſt getroͤſte ich mich meiner guten Intention, welche iſt:durch falſche und betruͤgliche Vorſtellungen/ Speculationes oder Pro-cefle niemand umb die edle Zeit/ noch umb ſein Geld zu bringen/ odermit Kurtzen zu ſagen:Niemand zu ſchaden/ſondern hiemit einem iedenZu nutzen und ergoͤtzen.
Geraͤths nicht wie ich will/ was hilffts? Jſts doch wohl groͤſſern Leu-ten alſo gangen; gnug iſts/ daß ichs gut gemeint/ hab ichs aber getroffen/ſo werde ich nur dardurch gereitzt werden etwas beſſers und nuͤtzlichers/ins kuͤnfftige zu publiciren; und mit dieſer warhafftigen Vertroͤſtungwill ich auch den geneigten Leſer der Goͤttlichen alle Morgen neuenGuͤte und Treue empfohlen haben.
J. K.